Drucken, Kleben, Puzzeln – Kinder erschließen sich künstlerische Positionen
Die Städtische Galerie Ostfildern hat im Rahmen der Privilegierten Partnerschaft (PP) mit der Bürgerstiftung Ostfildern (BSO) ein buntgefächertes kunstpädagogisches Programm für Kinder angeboten. Dieses war abgestimmt auf die unterschiedlichen künstlerischen Positionen, die in drei Ausstellungen in der Galerie gezeigt wurden. Durch die von der BSO zur Verfügung gestellten Mittel konnte die Galerie etwa 30 Kooperationspartnern aus Grundschulen, Kindertageseinrichtungen und weiterführenden Schulen eine Teilnahme an dem Kunstvermittlungsangebot ermöglichen.
Hierfür möchten wir uns als Städtische Galerie Ostfildern herzlichst bedanken und auf den folgenden Seiten auf die Kunstvermittlung im Jahr 2023 zurückschauen.
Robert Förch – Fenster zur Welt – Ansichten aus Europa
12. Februar bis 4. April 2023
Die Kunstvermittlung 2023 startete mit einer Ausstellung des 92-jährigen Künstlers Robert Förch, in der großformatige Linolschnitte gezeigt wurden. In seiner inzwischen mehrere Jahrzehnte überspannenden künstlerischen Laufbahn bereiste Robert Förch ganz Europa und entwickelte aus seinen Eindrücken ganz persönliche Ausblicke auf besondere Orte in Europa – und eröffnet so für die Betrachter ein „Fenster zur Welt“.
Auch die Kinder, die die Ausstellung besuchten, kannten viele der gezeigten Orte und konnten Bezugspunkte finden – seien es die abgebildeten Gondeln, die sie selbst von Besuchen in Venedig kannten oder die Wilhelma, die für die meisten untrennbarer Teil ihrer Kindheit ist.
Für den praktischen Teil sollten die Kinder zunächst an besondere Orte in Ostfildern denken, die sie gerne Besuchern zeigen würden. Angelehnt an die Drucktechnik Robert Förchs stellten auch die Kinder eigene Druckstöcke aus Styreneplatten her, die sie mit Motiven aus Ostfildern versahen. So entstanden im nächsten Schritt bunte Drucke, z.B. von den Sitz- und Flitzhasen, dem spätromanischen Turm der St. Blasius-Kirche in Nellingen, dem Schlössle und Amor-Tempel in Scharnhausen und auch von den allgegenwärtigen Flugzeugen am Himmel, die ebenso zu Ostfildern gehören. Aus den entstandenen Drucken wurde zum Abschluss eine Auswahl getroffen, die als Postkarten gedruckt und an die teilnehmenden Partnereinrichtungen verteilt wurde.




ststs – Kippmomente
23. April bis 27. Juni 2023
Mit Alltagsmaterialien wie Klebebändern und Schwerlastregalen stellte das Künstlerduo „ststs“ die gesamte räumliche Wirkung der Städtischen Galerie und die Wahrnehmung ihrer Besucher auf den Kopf. Durch die in regelmäßigen Abständen angebrachten schrägen und sich überkreuzenden Klebebandlinien schienen die Wände zu kippen. Einige Kinder, die den Raum von früheren Besuchen bereits kannten, fragten, ob er umgebaut worden sei, da der Boden nun schräg und die Wände nun schief seien. Bei genauem Hinsehen bemerkten sie, dass es sich um eine optische Täuschung handelte, in der sie buchstäblich herumlaufen konnten.
Statt Bilder an der Wand oder Skulpturen auf dem Boden zu betrachten, standen sie jetzt mitten im Kunstwerk – eine Gesamterfahrung, die sie nicht nur mit den Augen, sondern mit dem ganzen Körper machten. Den Kindern wurde auch bewusst, dass sich beim Herumlaufen mit dem Blickwinkel ebenso permanent ihre Wahrnehmung ändert. Insbesondere beim „Karusselllaufen“ um die schrägen Regale in der Raummitte schien alles zu flirren und mit dem Raum auch der Betrachter in „Schieflage“ zu geraten.
Im sich anschließenden praktischen Teil arbeiteten auch die Kinder wie ststs mit Klebeband. Auch sie sollten etwas ihnen Wohlbekanntes verändern – eine Ansicht des Stadthauses und seines Vorplatzes. Mithilfe von bunten und gemusterten Washi-Tapes experimentierten die Kinder und erzeugten flirrende optische Effekte, verliehen dem Stadthaus einen neuen Anstrich und entwarfen so eine individuelle Version ihres Stadthauses.





Fabian Treiber – Zu viel blau wird schnell Nacht
22. Oktober bis 16. Januar 2024
Der Stuttgarter Künstler Fabian Treiber präsentierte großformatige Malereien, die architektonische Ein- und Ausblicke mit Darstellung von Landschaft verbinden. Einzelne Gegenstände, Spuren menschlicher Anwesenheit werden kombiniert mit Ideen von Landschaftsräumen, Pflanzen, Gräsern, Gewächsen. Mit seiner ganz eigenen Bildsprache erzeugt er eine surreal anmutende, geheimnisvolle und spezifische Atmosphäre. Diese ermöglicht es den Betrachterinnen, eigene Lesarten zu entwickeln und die Bildwelten zu Projektionsräumen für eigene Assoziationen, Interpretationen und Geschichten zu machen.
So fielen auch den Kindern beim Besuch der Ausstellung auf Anhieb die unterschiedlichen und teils gegensätzlichen Bildelemente auf, die Fabian Treibers Bildwelten wie aus einem Traum erscheinen lassen: Der Wind scheint die Flamme einer Kerze in die eine Richtung und Gräser gleichzeitig in die andere Richtung zu wehen. Tief am Himmel stehen zugleich eine tieforange Sonne und ein blasser Mond, ein Blatt scheint durch den Raum zu wehen und steht doch still in der Luft. Die Orte in seinen Bildern wirken verlassen und still, und doch gibt es gleichzeitig Spuren menschlicher Anwesenheit, wie glimmende Zigaretten und brennende Kerzen.
Den Kindern wurde bei genauerem Hinsehen bewusst, dass die Bildgegenstände Ideen von Dingen darstellen, die wir aus der Realität kennen, aber keine fotografisch genauen und eindeutig bestimmbaren Abbildungen dieser Dinge. Im Praxisteil beschäftigten die Kinder sich erneut mit den gegensätzlichen „Puzzleteilen“, aus denen Treibers Bilder zusammengesetzt sind. Auch sie sollten nun eine Collage erstellen, in der sie Schicht für Schicht eigene fantastische Landschaften entwerfen. So konnten sie durch Ausprobieren herausfinden, wie sich mithilfe von zerrissenen Tonpapierstreifen eine Bergkette mit Gewässer erstellen lässt und wie sich asymmetrische Papierteile zu einer Hütte am See fügen können.
Text: Holle Nann, Städtische Galerie



