Bürgerstiftung ermöglicht Teilhabe bei gemeinsamem Essen

Ein dreigängiges, leckeres Menü in netter Gesellschaft – für viele Menschen ist dies etwas ganz Besonderes. Zum Tafelessen der Bürgerstiftung Ostfildern (BSO), das jeweils wöchentlich von Anfang November bis Ende Februar im Bürgerhaus in Ruit aufgetischt wird, sind bedürftige und einsame Menschen eingeladen. „Auch in unserer wohlhabenden Stadt gibt es Menschen, denen es finanziell nicht gut geht und die kaum soziale Kontakte haben“, sagt BSO-Vorstandsmitglied Dr. Peter Stapelberg. Diesen Frauen und Männern die Teilhabe am sozialen Leben zu ermöglichen, dieser Wunsch trieb Hans-Ulrich Steinhilber um, als er vor acht Jahren das kostenlose Tafelessen ins Leben rief. Als Fachbereichsleiter in der Stadtverwaltung und Vorstandsmitglied der Bürgerstiftung war er bestens vernetzt und fand bei Ostfilderner Wirten und Metzgern offene Ohren für sein Anliegen. Auch die ehrenamtlichen Helfer waren rasch gefunden. „Kaum jemand hat abgelehnt“, erinnert sich Edith Steinhilber, die seit dem Tod ihres Mannes 2014 den wöchentlichen Mittagstisch organisiert.

15 Ostfilderner Gastronomen und Metzger bekochen die Gäste auf eigene Kosten. Jeder ist an einem Tag an der Reihe. Brigitte Denich, die in Scharnhausen unter anderem die Gaststätte „Rose“ und das Hotel „Altes Rathaus“ führt, ist wie etliche andere von Anfang an dabei. „Es macht uns große Freude zu helfen, denn es gibt nicht wenige Einsame und Bedürftige“, meint sie. In diesem Jahr hat Denich die Gäste mit Kartoffelsuppe, Schweinebraten, Rotkraut und Knödel verwöhnt. Gut bürgerliche schwäbische Küche – stets mit Vorspeise, Hauptgericht und Dessert – ist das kulinarische Konzept des Tafelessens. „Das Essen kommt eigentlich immer gut an“, betont Renate Schwarz, Helferin der ersten Stunde. Und die Köche kalkulieren großzügig. „Es ist noch nie jemand hungrig vom Tisch aufgestanden“, sagt Schwarz. „Wir kochen immer für 60 Leute“, erklärt Denich. Weil die Gäste überwiegend älter sind, achtet sie unter anderem darauf, dass die Gerichte gut zu kauen sind. Auch in den Küchenablauf müssen die zusätzlichen Essen passen. Außerdem sollten sie gut zu transportieren sein. Was die Gastronomen zubereiten, bleibt ihnen überlassen. Dennoch sollte der Speiseplan abwechslungsreich sein. „Wir sprechen uns untereinander ab“, erläutert Denich. Sie ist vom Tafelessen so überzeugt, dass sie sagt: „Ich würde auch zweimal kochen.“

Um auch wirklich diejenigen zu erreichen, für die das Tafelessen gedacht ist, wurde der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) der Stadt ins Boot geholt. „Wir merken in den Gesprächen, wenn Menschen wenig Kontakt haben, und sprechen sie auf das Tafelessen an“, sagt Stephanie Roos vom ASD. Die Altersarmut nehme auch in Ostfildern zu. Roos weiß jedoch, dass es für manche eine Hürde sein kann, den kostenlosen Mittagstisch in Anspruch zu nehmen. Dann fungiert sie als Brückenbauerin. Renate Schwarz kann sich vorstellen, dass sich Patenschaften bilden, um denjenigen, die Scheu haben, den Zugang zu erleichtern. Denich weiß um die Scham, sie sagt aber: „Niemand ist schuld, wie es lief im Leben.“

Rund 40 Frauen und Männer finden sich zum Tafelessen im Bürgerhaus ein. Sie leben von Grundsicherung oder Arbeitslosengeld II und viele von ihnen sind alleinstehend. Zehn weitere Essen werden zu Menschen nach Hause gebracht, die nicht mobil sind. „Wir könnten auch noch zehn Menschen mehr verköstigen“, wirbt Edith Steinhilber um neue Tafelgäste. „Viele, die kommen, sind Stammgäste“, weiß Roos. Es bildeten sich richtige Tischgemeinschaften. Man achte aufeinander. „Wenn jemand mehrmals fehlt, der sonst immer kommt, wird nachgefragt“, sagt Roos. Vereinzelt seien auch Kontakte über das Tafelessen hinaus entstanden. Hans-Ullrich Görcke kommt von Anfang an regelmäßig ins Bürgerhaus. Der alleinstehende 68-Jährige schätzt es, an den schön gedeckten Tischen zu sitzen und nicht selbst kochen zu müssen. „Es ist eine gute Ablenkung.“

Die Bereitschaft, sich zu engagieren, sei groß, freut sich Edith Steinhilber. Wenn mal ein Wirt ausfalle, finde sich schnell Ersatz. Und auch im zehnköpfigen Team, das die Tische liebevoll dekoriert und deckt, das Essen transportiert, die Speisen ausgibt und nachher in der Küche wieder „klar Schiff“ macht, gibt es wenig Wechsel. „Es herrscht große Kontinuität“, sagt Stapelberg. Renate Schwarz ist auch nach acht Jahren mit großer Begeisterung dabei: „Man lernt ganz unterschiedliche Menschen kennen. Auch wir Helfer ergänzen uns prima, es ist ein schönes Miteinander.“

Info: Das Tafelessen wird unterstützt von den Ostfilderner Gastronomen und Metzgereien: „Hirsch-Hotel“, Ruit; Metzgerei Schäch, Kemnat; Gourmet Compagnie Kemnat, Metzgerei Harald Gehrung, Scharnhausen; Restaurant „Villa Campioni“, Nellingen, Restaurant KuBinO, Nellingen; Hotel Restaurant „Lamm“, Scharnhausen; Waldheimverein Ruit e.V.; Gaststätte „Rose“, Scharnhausen; Vereinsgaststätte TV Kemnat; Restaurant „Alte Wache“, Scharnhauser Park; Restaurant „Poseidon“, Ruit; Gaststätte „Talwiesenstuben“, Ruit; Restaurant „Waldheim“ Ruit; Restaurant „Brücke“, Scharnhausen; Getränke Notheis, Nellingen; Getränke Bee, Esslingen, und Gartenbau Clauss, Ruit.

Text und Foto: Ulrike Rapp-Hirrlinger

Bürgerstiftung ermöglicht Teilhabe bei gemeinsamem Essen
Das Wintertafel-Team 2018/2019 der Bürgerstiftung Ostfildern: Patricia und Brigitte Denich, Dr. Peter Stapelberg, Hans-Ullrich Görcke, Edith Steinhilber, Renate Schwarz, Stephanie Roos (v.l.)